Wenn ich in Zukunft gefragt werde, „Praktikum in Schweden? Ist das was?“, dann werde ich nur irritiert schauen und fragen „Was für eine Frage! Warum bist du noch hier?”
Aber kurz auf Anfang
Nach meiner Berufsausbildung als Tischlerin habe ich mich einfach noch zu unsicher gefühlt, um gleich beruflich durchzustarten. Daher war für mich schnell klar, dass ich mir ein Jahr Zeit nehmen möchte um meinen Beruf nochmal von allen Facetten kennen zu lernen und Grundlagen zu festigen. Ins Ausland wollte ich auch, da konnte ich beides gleich kombinieren. Also eine moderne Version der Walz sozusagen.
Bei meiner Vorbereitung wurde mir dann aber doch bewusst, wie komplex so eine Planung ist. Finde eine Tischlerei im Ausland die sich ganz auf deine Bedürfnisse einlässt. Mit deren Firmenbild du dich identifizieren kannst. In der du nicht als billige Arbeitskraft fungierst. Inklusive wichtiger Versicherungen, Finanzierung der Unterkunft pipapo. Also dann doch nicht aus eigener Hand geplant. Zum Glück wurde ich in der Handwerkskammer auf die Möglichkeit des Erasmus-Stipendiums aufmerksam gemacht. Junge Menschen können während und nach ihrer beruflichen Ausbildung die ersten Arbeitserfahrungen im EU-Ausland machen. Dabei erhalten sie finanzielle Unterstützung für Betreuung, Transport und Unterkunft. Genau meins, dachte ich mir und habe mich gleich beworben.
Schon immer Schweden-affin
Die Wahl für mein erstes Land fiel direkt auf Schweden. Durch meine Schweden-affinen Verwandten habe ich schon in meiner Kindheit die volle Schweden-Klatsche bekommen: Bücher, Essen, Landschaft, … ich konnte gar nicht genug bekommen. Das ich hier mal arbeiten würde hätte ich mir im Traum aber nicht vorstellen können.
Schweden ist schön, auch nach den ersten Wochen. Ganz abseits von herrlich viel Natur und all den bunten Häuschen hat mich das Land durch sein Lebensgefühl überzeugt. Die Schweden arbeiten gewissenhaft und fleißig wie die Deutschen. Aber sie legen (größtenteils natürlich, Ausnahmen bestätigen immerhin die Regel) zusätzlich eine große Ruhe, Gelassenheit und Lebensfreude an den Tag. Und genau diese Mentalität an meinem Arbeitsplatz tat mir gut. Gleich zu Anfang wurde mir viel Vertrauen entgegengebracht, die Aufgaben lagen genau in meinem Wohlfühl-und-trotzdem-Fordernd-Level. Ich konnte viel alleine, aber auch zusammen mit meinem deutschen Arbeitskollegen arbeiten. Meine Ideen und Wünsche bezüglich Arbeitsverbesserung und Aufgaben, die ich gerne machen wollte wurden ernst genommen und vieles davon konnte ich umsetzen. „Soeco“, die Firma, die der schwedische Erasmus-Partner „Sandson“ mir ausgesucht hat, entsprach ganz meinen Interessenfeldern: Nachhaltigkeit und Restauration. Soeco kauft hochwertige, aber gebrauchte Büromöbel auf und gibt ihnen durch eine Wiederaufbereitung ein neues Leben. Nach Kundenwunsch auch ein Makeover in Form von Lack, Polster und Formatabänderung. Der Laden läuft und das Geschäft boomt. Nie zuvor habe ich erlebt, mit welcher Wertschätzung und Professionalität moderne Möbel im großen, wirtschaftlichen Stil einen Absatz finden.
Neues Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten und Fertigkeiten
Im Nachhinein kann ich sagen, dass mir das Praktikum ein ganz neues Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten und Fertigkeiten geschenkt hat. Ich habe das Land nicht nur als Tourist während den Wochenenden, sondern auch ganz authentisch im Alltag kennen lernen dürfen. Ja, es ist ein teures Land. Aber das sollte Interessierte unter keinen Umständen davor abschrecken es auszuprobieren. Und wer Kaffee und Zimtschnecke liebt, der hat ohnehin schon einen Fuß in der Tür.